1. Einleitung
2. Zukünftige Entwicklung
3. Das Eduard-Michelis-Haus
4. Schwerpunkt: Demenz-Versorgung
- Definition der Demenz nach ICD 10
- Definition der Demenz im DSM-IV
- Symptome
- Stadien
- Kognitive Symptome
- Motorische Symptome
- Verhaltensstörungen
- Erleben demenzkranker Menschen
- Entwicklung in Deutschland
- Einschränkungen der Alltagskompetenz
- Pflegeerschwerende Faktoren
5. Bauliche Strukturen
- Ausgangssituation
- Wohngruppenkonzept
- Wohnstrukturierung
- Räumliche Gestaltung der Wohngruppen für Demente
- Gestaltung des Außengeländes "Sinnesgarten"
- Bewohner*innen-Sicherheit
6. Pflegekonzept
- Christliche Leitlinien für die Pflege und Betreuung
- Ganzheitlicher Ansatz
- Pflegetheoretischer Ansatz
- Organisation der Pflege
- Expertenstandards
- Methodische Ansätze
- Beziehungspflege - Bezugspflege
- Kommunikationsformen für den verstehenden Umgang
- Begleitung sterbender dementer Bewohner*innen
7. Pflege- und Betreuungsmanagement
- Tagesstrukturierende Maßnahmen
- Multiprofessionelle Teamarbeit
- Rolle von Angehörigen und ehrenamtlichen Helfern
- Angehörigenarbeit
- Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen
8. Personelle Situation
- Personelle Ressourcen
- Voraussetzung der Mitarbeiter*innen*innen
9. Qualitätsmanagement
10. Fazit
Einleitung
Mit der vorliegenden Aktualisierung des Konzepts zur Betreuung demenziell erkrankter Menschen wird Bezug genommen auf die Version aus dem Jahre 2014. Die baulichen Strukturen wurden so verändert, um insbesondere den zunehmend demenziell erkrankten Menschen Rechnung zu tragen. Zentrale Aspekte dabei waren den mobilen und orientierten, aber auch den motorisch sehr unruhigen dementen Bewohner*innen des Eduard-Michelis-Hauses die Befriedigung der existentiellen Bedürfnisse nach Geborgenheit, Sicherheit und Orientierung zu vermitteln. Die Wohngruppen bieten eine überschaubare Größe und werden anhand des individuellen Versorgungsbedarfes gezielt belegt. Nur so kann den unterschiedlichen Bewohner*innengruppen (orientiert/dement) - und der zukünftigen gesellschaftlichen Entwicklung - bedürfnisgerecht Rechnung getragen werden. Ausgehend an einer aus der Biographie bekannten Alltagsnormalität soll das subjektive Wohlbefinden durch einen strukturierten Tagesablauf erhalten und gesteigert werden.
Die alltäglichen Fähigkeiten und Fertigkeiten werden durch eine Vertrauensbasis im Rahmen der Beziehungspflege vermittelt und sollen möglichst erhalten bleiben. Durch eine zielgerichtete Weiterbildung der Mitarbeiter*innen*innen sollte die Akzeptanz und das Verständnis zum Verhalten insbesondere der Dementen gesteigert werden. Beziehungsarbeit und Kontaktpflege bezieht sich nicht nur auf die zu versorgenden Bewohner*innen, sondern im erweiterten Sinne auch auf Angehörige, Bezugspersonen und an der Versorgung beteiligte Personen. Im Rahmen der baulichen Veränderungen und im Managementansatz findet sich die integrative Grundhaltung wieder und führt im Wesentlichen zu einer Bewohner*innen- und Mitarbeiter*innenorientierung.
Ziel ist es, das Wohngruppenkonzept so flexibel zu gestalten, um den jetzigen und zukünftigen Entwicklungen zu entsprechen und neben „Orientierten“ besonders schwer- und schwerstdemente Bewohner*innen optimal zu versorgen.
An der bestehenden Grundhaltung dem Menschen gegenüber wird heute im Jahr 2020 auch weiterhin festgehalten. Das vorliegende Konzept wurde im Rahmen von Organisationberatung und supervisorischer Unterstützung entwickelt. Es zeichnet den Strukturwandel in der Altenpflege nach und soll zur weiteren Entwicklung für das Leben und Wohnen im Eduard-Michelis-Haus einen zukunftsorientierten Rahmen bieten.
Die Aktualisierung des Konzepts spiegelt darüber hinaus die strukturellen und inhaltlichen Veränderungen wieder und ist ein Beleg für die zukunftsorientierte organisatorische und inhaltliche Weiterentwicklung des Eduard-Michelis-Hauses.
Zukünftige Entwicklung
Die demographische Entwicklung[1] besteht neben einer Schrumpfung, regionalen Disparitäten, einer Heterogenisierung und einer Vereinzelung hauptsächlich in der Alterung der Gesellschaft. Daraus ergibt sich eine deutliche Zunahme von Alterserkrankungen des höheren Lebensalters. Neben der Zunahme an Pflegebedürftigkeit steigt ebenso die Multimorbiditätsrate. Diese Trends verdeutlichen die Dringlichkeit der Neuorientierung, um auch zukünftig einer gemeindenahen Versorgung gerecht zu werden.
Lokal betrachtet, wird für die Städte Bottrop und Gelsenkirchen, sowie für den Kreis Recklinghausen folgende Veränderungen prognostiziert (Datenbasis: Informationssystem des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-, und Raumforschung - BBSR):
Veränderungen 2010-2030 |
Bottrop |
Gelsenkirchen |
Kreis Recklinghausen |
Zahl der Kinder (0-10 Jahre) |
-13% |
-14,3% |
-12,4% |
65-unter 80-Jährigen |
+25,3% |
13,7% |
+23% |
Hochbetagte (80 Jahre und älter) |
29,6% |
11,4% |
+29,4% |
Das Eduard-Michelis-Haus
Das Eduard-Michelis-Haus ist eine Einrichtung der Stiftung der Schwestern von der Göttlichen Vorsehung, Träger ist die Eduard Michelis gGmbH. Die Einrichtung ist nach dem Namen des Ordensgründers Eduard-Michelis benannt. Die Gründung der Einrichtung geht auf das Jahr 1966 zurück.
Das Eduard-Michelis-Haus liegt am Rande der Innenstadt von Gladbeck, in unmittelbarer Nähe des Wittringer Waldes. Zunächst bot das Wohnheim insgesamt 80 Plätze für Senioren. Durch einen Erweiterungsbau in den Jahren 1976 – 1978 wurde die Platzzahl auf 124 erhöht. Seit 1999 verfügt die Einrichtung über solitäre Kurzzeitpflege mit 11 Plätzen. Im Rahmen einer neustrukturierenden Umbaumaßnahme von 2007 bis 2012 wurde die Einrichtung komplett modernisiert.
Seit Abschluss der Maßnahme bietet das Eduard-Michelis-Haus 120 Bewohner*innenplätze an.
Heute stehen 13 Wohngruppen zur Verfügung. Jede Wohngruppe ist auf die Versorgung von 7 - 10 Bewohner*innen*innen ausgelegt. Die Bewohner*innen*innen-Zimmer sind als Einzelzimmer konzipiert und haben folgende Grundausstattung: eine moderne Lichtrufanlage, einen Rundfunk- und
TV-Anschluss, WLAN, einen Telefonanschluss, ein Bad mit WC und Dusche und eine kleine Diele.
Da die Zimmer in ihrer Grundausstattung teilmöbliert sind, haben die Bewohner*innen*innen die Möglichkeit ihnen liebgewordene Einrichtungsgegenstände mitzubringen, wie zum Beispiel Kleinmobiliar, Couch, Sessel, Wandschmuck. Dadurch bekommen die Zimmer einen individuellen Charakter. Dem Wunsch vieler Bewohner*innen*innen und Angehörigen nach Privatheit und Vertrautheit wird so entsprochen. Der persönlich gestaltete Lebensraum bietet jedem Bewohner*innen*innen die Möglichkeit des Rückzuges. Die Zimmer sind mit großen Fenstern ausgestattet, lassen den Raum hell und freundlich erscheinen und ermöglichen immobilen Bewohner*innen*innen einen Blick in eine schöne Umgebung.
Zu jeder Wohngruppe gehört eine geräumige Wohnküche, in der das gemeinschaftliche Leben stattfindet. Die Wohnküche ist ausgestattet mit einer voll eingerichteten Küchenzeile, einem großen Essbereich sowie einer gemütlichen Sitzecke. Ein Zugang zur angegliederten Terrasse oder Balkon ist gegeben. Durchweg wurde die komplette Einrichtung barrierefrei gestaltet.
Zur Einrichtung gehören zusätzlich ein Empfang, ein Raum der Stille, ein Saal, die Cafeteria die Verwaltung sowie ein Friseursalon.
Schwerpunkt: Demenz-Versorgung
Eine Demenz (lat. Dementia „ohne Geist“ bzw. Mens = Verstand, de = abnehmend) ist ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, dass zu einer Beeinträchtigung sozialer und beruflicher Funktionen führt und meist mit einer diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einhergeht. Vor allem ist das Kurzzeitgedächtnis, ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik, bei einigen Formen auch die Persönlichkeitsstruktur betroffen. Maßgeblich ist der Verlust bereits erworbener Denkfähigkeiten im Unterschied zur angeborenen Minderbegabung. Heute sind verschiedene Ursachen von Demenzen geklärt, einige Formen können in gewissem Umfang behandelt werden, d. h. die Symptome können im Anfangsstadium einer Demenz verzögert werden. Die am häufigsten auftretende Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Eine Demenz kann auf ganz verschiedenen Ursachen beruhen, für die Therapie ist die Klärung dieser Unterscheidungsmerkmale wichtig.
Definition der Demenz nach ICD 10[2][3]
Demenz (ICD-10-Code F00-F03) ist ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache, Sprechen und Urteilsvermögen im Sinne der Fähigkeit zur Entscheidung. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Für die Diagnose einer Demenz müssen die Symptome nach ICD über mindestens sechs Monate bestanden haben. Die Sinne (Sinnesorgane, Wahrnehmung) funktionieren im für die Person üblichen Rahmen. Gewöhnlich begleiten Veränderungen der emotionalen Kontrolle, der Affektlage, des Sozialverhaltens oder der Motivation die kognitiven Beeinträchtigungen; gelegentlich treten diese Syndrome auch eher auf. Sie kommen bei Alzheimer-Krankheit, Gefäßerkrankungen des Gehirns und anderen Zustandsbildern vor, die primär oder sekundär das Gehirn und die Neuronen betreffen.
Definition der Demenz im DSM-IV[4]
Die kognitiven Defizite verursachen eine signifikante Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Funktionen und stellen eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem früheren Leistungsniveau dar. Sie treten nicht im Rahmen einer rasch einsetzenden Bewusstseinstrübung oder eines Delirs auf. Zur Beeinträchtigung des Gedächtnisses muss noch mindestens eine der folgenden Störungen hinzukommen:
- Aphasie: Störung der Sprache
- Apraxie: beeinträchtigte Fähigkeit, motorische Aktivitäten auszuführen
- Agnosie: Unfähigkeit, Gegenstände zu identifizieren bzw. wieder zu erkennen
- Dysexekutives Syndrom: Störung der Exekutivfunktionen, d. h. Planen, Organisieren, Einhalten einer Reihenfolge
Symptome
Im Vorfeld einer Demenz sind oft psychische Störungen zu beobachten, die häufig kaum von denen einer Depression unterschieden werden können, wie zum Beispiel Verlust von Interessen und Eigeninitiative, Reizbarkeit, Gefühl der Überforderung, Verlust der affektiven Schwingungsfähigkeit, depressive Verstimmungen.
Stadien
Ausgehend von der Alzheimer-Demenz lassen sich grob drei Schweregrade unterteilen[5]:
- Leichte Demenz: Komplexe alltägliche Aufgaben können nicht mehr ausgeführt werden. Die Merk- und Orientierungsfähigkeit lässt nach. Die selbständige Lebensführung ist mit Unterstützung noch möglich. Als affektive Störungen treten z.B. Depression, Antriebsmangel, Rückzugstendenz, Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen auf.
- Mittelschwere Demenz: Komplexe Tätigkeiten werden nicht mehr vollständig oder angemessen ausgeführt. Ein unabhängiges Leben ist nicht mehr möglich, die Betroffenen sind auf fremde Hilfe angewiesen. Unruhe, Orientierungslosigkeit, psychotische Störungen, aggressives Verhalten, Schreien, gestörter Tag-Nacht-Rhythmus und Nesteln kennzeichnen dieses Stadium. Das Risiko für Folgeerkrankungen (z.B. Frakturen, Pneumonien, Mangelernährung) nimmt zu. Somit steigt auch der Sicherheitsbedarf.
- Schwere Demenz: Gedankengänge können nicht mehr nachvollziehbar kommuniziert werden. Eine unabhängige Lebensführung ist nicht mehr möglich. Die Kontrolle über alle körperlichen Funktionen geht verloren. Das Risiko für Folgeerkrankungen und der Sicherheitsbedarf sind signifikant. Die affektiven Störungen, wie Unruhe, aggressives Verhalten entsprechen der mittelschweren Demenz. Dauerhafte Betreuung und Beaufsichtigung sind notwendig.
Kognitive Symptome
Leitsymptom aller Demenz-Erkrankungen ist die Störung des Gedächtnisses, vor allem des Kurzzeitgedächtnisses. Die Vergesslichkeit ist zunächst etwas Normales. Oft ist zumindest in den Anfangsstadien die äußere Fassade der Person dabei gut erhalten, sodass die Gedächtnisstörungen im oberflächlichen Kontakt sehr gut überspielt werden können. Dies gelingt besonders gut den Menschen, die ihr Leben lang viele soziale Kontakte hatten - der verbindliche Umgangston ersetzt streckenweise den Inhalt der Botschaft (Kommunikation).
Später verlieren sich länger zurückliegende Gedächtnisinhalte. Wenn die Demenz fortschreitet, treten auch andere Störungen der Hirnfunktion hinzu, wie zum Beispiel Wortfindungsstörungen, Rechenstörungen, Störungen der Raumwahrnehmung und starke Müdigkeit, sodass sich die Betroffenen häufig verlaufen, besonders, wenn in der ihnen über Jahrzehnte geläufigen Umgebung bauliche Veränderungen stattfinden.
Im weit fortgeschrittenen Stadium erkennen die Betroffenen schließlich nicht einmal ihre engsten Angehörigen wieder. Sie werden völlig apathisch, komplett immobil und inkontinent.
Die Demenz schränkt die Lebenserwartung ein. Die Demenz selbst ist aber keine Todesursache, sondern die durch die Demenz begünstigten Erkrankungen.
Motorische Symptome
Auch motorische Störungen gehören meist zum Bild einer fortgeschrittenen Demenz, wenn es sich nicht um eine Demenz-Erkrankung handelt, die mit motorischen Störungen beginnt, wie zum Beispiel das Parkinson-Syndrom. Die Personen werden zunehmend am ganzen Körper steif. Ihr Gang wird kleinschrittig, schlurfend und breitbeinig. Sie sind fallgefährdet, auch weil es zu einer Störung der Haltereflexe kommt.
Verhaltensstörungen
Die Verhaltensstörungen bei Demenzkranken werden neuerdings BPSD = ("Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia") genannt. Darunter zählt man heute die Apathie (76,0%), "Aberrant motor behaviour" (d. h. zielloses Herumirren) (64,5%), Essstörung (Essen von Unessbarem) (63,7%), Gereiztheit/Labilität (63,0%), Agitation/Aggression (62,8%), Schlafstörungen (53,8%), Depression/Dysphorie (54,3%), Angst (50,2%), Wahn (49,5%), Enthemmung (29,5%), Halluzinationen (27,8%), und Euphorie (16,6%). Die Klammern beziehen sich auf die Prävalenz der 12 BPSD bei Alzheimer-Patienten.
Psychotische Symptome können bei allen Demenzformen auftreten. Relativ typisch sind sie für die Lewy-Body-Demenz, die Demenzform beim Parkinson-Syndrom. Es handelt sich vor allem um optische Halluzinationen. Typischerweise sehen die Betroffenen zunächst vor allem im Zwielicht der Dämmerung nicht anwesende Personen, mit denen sie mitunter sogar Gespräche führen. Die Betroffenen können sich in diesem Stadium meist von ihren (Pseudo-)Halluzinationen distanzieren, das heißt sie wissen, dass die Personen, mit denen sie sprechen, nicht anwesend sind. Später sehen sie Tiere oder Fabelwesen, Muster an den Wänden, Staubfussel. Schließlich erleben sie groteske, meist bedrohliche Dinge, zum Beispiel Entführungen. Diese szenischen Halluzinationen sind in der Regel sehr angstgefärbt. Die Personen werden nicht selten aggressiv, wenn sie die sich in besten Absichten nähernden Angehörigen und Pflegenden in ihr Wahnsystem einbauen. Hier sind die Übergänge zum Delir fließend.
Demenz-Kranke verlieren ihre Eigeninitiative. Sie vernachlässigen ihre früheren Hobbys, ihre Körperpflege und das Aufräumen ihrer Wohnung. Schließlich sind sie nicht mehr in der Lage, sich ausreichend zu ernähren. Sie haben keinen Antrieb zum Essen, verlieren das Hungergefühl und vergessen schließlich, die Nahrung zu kauen und herunterzuschlucken. Sie magern ab und werden anfällig für internistische Erkrankungen wie zum Beispiel eine Lungenentzündung. Verschiebungen im Tag-Nacht-Rhythmus können erhebliche pflegerische Probleme bereiten.
Erleben demenzkranker Menschen
An Demenz erkrankte Menschen leben in ihrer eigenen Lebenswelt.
Für sie sieht die für uns reale Welt merkwürdig und unverständlich aus, weil sie die spezifische menschliche Wahrnehmungsfähigkeit, die Orientierung, verlieren. Sie können die Gegenstände, Situationen und Personen nicht in einen größeren Kontext einordnen. Aufgrund ihrer Erinnerungsstörungen ist ihnen der Zugriff auf früheres Wissen (semantisches Gedächtnis) und Erlebnisse (episodisches Gedächtnis- zurücklöschend) verwehrt, um sich mit deren Hilfe in der jetzigen Situation zurechtzufinden. Es fehlt das Wissen und die Sicherheit von Ressourcen, die der Bewältigung aktueller Situationen dienen. Oft verschwimmt der Unterschied zwischen Traum, Vergangenheit und Realität. Oft kommt es zu Halluzinationen. Im Umgang mit dementen Personen ist es oft nicht möglich, diesen die Irrealität der Halluzinationen zu erklären. Im Idealfall erfassen die Pflegenden die hinter den Halluzinationen stehende Stimmung und gehen auf diese ein.
Wenn der erkrankte Mensch noch in der Lage ist zu erkennen, dass er in einer Situation nicht angemessen reagiert hat, kann das bei ihm Unruhe und Resignation auslösen.
Demente benötigen viel Zeit für alle Reaktionen und Handlungen. In fortgeschrittenen Stadien ist beispielsweise eine ausreichende Ernährung auf natürlichem Weg nicht mehr möglich, weil die Betroffenen aufgrund ihrer schweren Antriebsstörung nicht mehr in der Lage sind, die Nahrung hinunterzuschlucken. Die Geduld und die zeitlichen Möglichkeiten der Pflegenden stoßen deswegen regelmäßig im Spätstadium an ihre Grenzen.
Menschen, die an Demenz erkrankt sind, fühlen sich oft falsch verstanden, herumkommandiert oder bevormundet, da sie die Entscheidungsgründe der sie Pflegenden nicht erfassen können. Überraschend viele an Demenz erkrankte Personen können ihre Wünsche ausdrücken. Manche sind noch in der Lage, zu spüren, wenn sich Mitmenschen langweilen oder von ihrem Verhalten peinlich berührt sind. Im Spätstadium geht immer mehr auch die Fähigkeit zum emotionalen Kontakt verloren, was für die Angehörigen sehr belastend sein kann und eine enorme Herausforderung darstellt.
Demenzkranke reagieren gelegentlich sehr verärgert, wenn man sie für Dinge verantwortlich macht, die sie inzwischen vergessen haben. Damit fühlen sie sich gleich doppelt in die Enge getrieben: einmal dadurch, dass ihnen vorgeworfen wird, absichtlich Fehler zu begehen, und zum anderen, weil sie mit ihren Schwächen - sich nicht erinnern zu können - konfrontiert werden.
Depressionen sind ein häufiges Problem, oft bereits vor der Manifestation der Demenz, dann, wenn die Betroffenen ihren geistigen Verfall wahrnehmen. Da die Symptome einer Depression denen der Demenz ähneln, können beide Krankheiten bei unzureichenden Kenntnissen verwechselt werden. Je weiter die Demenz fortschreitet, desto mehr verflacht aber auch die Gefühlswelt und weicht parallel zu einer zunehmenden Interessenlosigkeit einer affektiven Indifferenz mit der Unfähigkeit, sich zu freuen oder traurig zu sein bzw. die Emotionen auszudrücken.
Entwicklung in Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland ist nach neusten Zahlen mit einem Anstieg der Demenz von heute 1,4 Millionen Betroffenen auf voraussichtlich 3 Millionen in 2050 zu rechnen.
Unter den Personen, die im Jahr 2009 Mitglied der BARMER GEK Krankenkasse waren und mit über 60 Jahren verstarben, waren 47 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer demenzkrank und neunzig Prozent dieser Demenzkranken waren vormals pflegebedürftig. Im Jahre 2001 waren es 40 und 60 Prozent.
Einschränkungen der Alltagskompetenz
Die Zielgruppe beschreibt die Gruppe der Bewohner*innen*innen mit einer psychischen oder dementiellen Erkrankung, bei denen die Einschränkungen der Alltagskompetenz erheblich ist und auf Dauer einhergeht mit folgenden Schädigungen und Fähigkeitsstörungen:
- unkontrolliertes Verlassen der Wohngruppe (Hinlauftendenz)
- Verkennen oder Verursachen gefährdender Situationen
- unsachgemäßer Umgang mit gefährlichen Gegenständen oder potenziell gefährdenden Substanzen
- tätlich oder verbal aggressives Verhalten in Verkennung der Situation
- im situativen Kontext inadäquates Verhalten
- Unfähigkeit, die eigenen körperlichen und seelischen Gefühle oder Bedürfnisse wahrzunehmen
- Unfähigkeit zu einer erforderlichen Kooperation bei therapeutischen oder schützenden Maßnahmen als Folge einer therapieresistenten Depression oder Angststörung
- Störungen der höheren Hirnfunktionen (Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, herabgesetztes Urteilsvermögen), die zu Problemen bei der Bewältigung von sozialen Alltagsleistungen geführt haben
- Störung des Tag-/Nacht-Rhythmus
- Unfähigkeit, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren
- Verkennen von Alltagssituationen und inadäquates Reagieren in Alltagssituationen
- ausgeprägtes labiles oder unkontrolliert emotionales Verhalten
- zeitlich überwiegend Niedergeschlagenheit, Verzagtheit, Hilflosigkeit oder Hoffnungslosigkeit aufgrund einer therapieresistenten Depression
Pflegeerschwerende Faktoren
Die Versorgung Demenzkranker erfordert ein hohes Maß an persönlichen und sozialen Kompetenzen seitens der Mitarbeiter*innen, insbesondere, wenn tätigkeitserschwerende Faktoren zur Erwartung einer „beruhigenden Versorgung“ auftreten. Hier sind beispielhaft neben Übergewicht, schweren Kontrakturen, Spastiken, einschießenden unkontrollierten Bewegungen, Orthopnoe, eingeschränkter Belastung wegen kardiopulmonaler Dekompensation, insbesondere Schluck- und Atemstörungen, Abwehrverhalten, stark eingeschränkte Sinneswahrnehmung, starke therapieresistente Schmerzen, aggressives Verhalten gegenüber Mit Bewohner*innen, Kotschmieren, Zimmerverwüstung und ein zeitaufwendiger Hilfsmitteleinsatz zu nennen.
Bauliche Strukturen
Ausgangssituation
Die Versorgung und Betreuung insbesondere dementiell erkrankter alter Menschen gewinnt in unserer Gesellschaft aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung macht neue Konzepte auch für die stationäre Altenpflege nötig. Der Leitsatz „Wohnen und Leben“ war bei der Neukonzeption des Eduard-Michelis-Haus von zentraler Bedeutung.
Dieses Konzept sieht eine Rückkehr zu den „traditionellen Mustern“ vor, weg von dem Schwerpunkt der medizinischen Versorgung, hin zum familiären Wohnen.
Die Alltagsnormalität der Menschen steht hierbei im Vordergrund, notwendige Pflege tritt dezent in den Hintergrund.
Die im Folgenden beschriebene Weiterentwicklung der stationären Pflege zielt auf eine Auflösung zentraler, anstaltsähnlicher Strukturen in Heimen. Die Idee stammt aus Frankreich und den Niederlanden und wurde angepasst auf deutsche Verhältnisse als so genannte „Hausgemeinschaften bzw. Wohngruppen“.
Wohngruppenkonzept
Das Konzept der Wohngruppen wird in der gesamten Einrichtung umgesetzt.
In Wohngruppen soll eine Atmosphäre der Vertrautheit, Überschaubarkeit, Geborgenheit und Normalität herrschen. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit in den Wohngruppen ist die Schaffung einer Tagesstruktur im gemeinsamen Alltag, mit klaren und einfachen Abläufen und Orientierungshilfen. Dabei orientieren sich die Tagesabläufe an den Bedürfnissen und Gewohnheiten der Bewohner*innen*inneninnen und Bewohner*innen*innen. Diese gestalten ihre Tagesabläufe weitgehend autonom und können dabei ihre vorhandenen Kompetenzen in den Alltagsablauf einbringen. Durch strukturgebende Tagesgestaltung und Orientierung wird das Gefühl von Sicherheit geschaffen. Die Bewohner*innen*innen werden bei der Bewältigung ihres Alltags in den Wohngruppen unterstützt.
Das Wohnen steht im Vordergrund, pflegerische Arbeiten werden der Situation angepasst durchgeführt. Pflege geschieht dezent im Hintergrund, gezielt und individuell ausgerichtet auf jeden Einzelnen.
So wird für den Bewohner*innen*innen, zum Beispiel bei der Tagesstrukturierung und bei der Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben, ein Maximum an Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten geschaffen. Der Alltag schafft somit Anregung und Abwechslung. Das Leben in der Wohnküche ist zentraler Mittelpunkt der Gruppe, ein Rückzug aus der Gemeinschaft ist jederzeit möglich.
Angestrebtes Ziel, insbesondere für unsere dementen Bewohner*innen*innen, ist es, einer jeder Wohngruppe eine feste Bezugsperson zuzuordnen, eine sogenannte Präsenzkraft.
Die Bewirtschaftung und Organisation des Haushaltes in einer Wohngruppe sowie die unmittelbare Betreuung der Bewohner*innen*innen soll mit Unterstützung der hauswirtschaftlichen Mitarbeiter*innen in den Händen dieser Präsenzkraft liegen. Sie gestaltet den Alltag im Rahmen haushaltsspezifischer Verrichtungen, aktiviert, motiviert und stellt Kontakte zwischen den Bewohner*innen*innen her.
In den Wohngruppen finden die meisten Aktivitäten statt, ob sie sich nun aus dem Alltag ergeben oder längerfristig geplant sind; dabei entwickeln sich viele Beschäftigungen aus den Erfordernissen des Alltags. In den Wohngruppen werden die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen. Weitere Aktivitäten sind zum Beispiel kleinere Mahlzeiten gemeinsam vorzubereiten, backen, Tisch decken, abräumen, spülen, Blumenpflege, Bewegungsspiele, Singen, Vorlesen, Lesen, Musik hören, Angehörige treffen, usw.
Die Gewährleistung größtmöglicher Autonomie der Bewohner*innen*innen fordert von allen Beteiligten eine große Flexibilität. Ein multiprofessionelles Team (Pflege, Hauswirtschaftlicher und sozialer Dienst) stellt sicher, dass individuelle Bedürfnislagen erkannt und weitestgehend erfüllt werden.
Wohnstrukturierung
Im Rahmen der Restrukturierung von einem herkömmlichen Pflegeheim, zusammenhanglosen Pflegekonzepten und einem Mangel an qualifiziertem Personal zielt die zukünftige Aufbau- und qualitätsmanagementgestützte Ablauforganisation auf eine fachgerechte Betreuung und Pflege, insbesondere dementer und psychisch kranker Bewohner*innen*innen hin.
Im Zentrum der Einrichtung befindet sich Haus A. Dort sind der Empfang und die Verwaltung, die offene Cafeteria mit großzügiger Terrasse, ein großer Saal und ein Raum der Stille zu finden. Von hieraus gibt es Zugang zu den Wohnbereichen Haus B, Parterre, 1. OG und 2. OG.
Haus B umfasst 4 Wohngruppen. Der Bereich der Kurzzeitpflege mit 11 Plätzen schließt sich mit einem gemeinsamen Zugang zu einer großzügigen Gartenanlage an. Im Erdgeschoß ist ein offen gestalteter Friseursalon.
Die Wohnbereiche Parterre, 1. Obergeschoss und 2. Obergeschoss befinden sich ebenfalls in einem vom Zentrum zugänglichen Gebäudetrakt mit 9 Wohngruppen. Hier wohnen überwiegend die dementen und gerontopsychiatrisch veränderten Menschen.
Räumliche Gestaltung der Wohngruppen für Demente
Die bauliche Struktur der Wohngruppen wurde im Rahmen einer aufwendigen Umgestaltung besonders den Bedürfnissen der schwer- und schwerstdementen Bewohner*innen*innen angepasst. Der segregative Charakter wird so durchbrochen. Die gesamte Baukonzeption berücksichtigt im Innen-, sowie im Außenbereich konsequent ein barrierefreies Wohnen. Die offene und lichtfreundliche Gestaltung der Außenfassade stellt sicher, dass zu jeder Jahreszeit genügend Tageslicht vorhanden ist und ermöglicht das Erleben des jahreszeitlichen Wechselspiels. Um in den Sommermonaten eine Überhitzung der Inneneinrichtung zu vermeiden sind die Gemeinschafts- und Bewohner*innen-Räume durchweg mit einer Sonnenschutzanlage zu beschatten, Klimageräte wurden nachgerüstet.
Die drei Wohngruppen im Parterre bieten einen direkten Zugang nach außen. Die themenbezogene Gestaltung der Wohngruppen „Strand“, „Wiese“ und „Berge“ trägt sich vom Innenbereich nahtlos in das Außengelände (Sinnesgarten) und bietet deutliche Erinnerungsreize und Orientierungsmöglichkeit.
Ein Wohnbereich besteht aus jeweils drei separaten Wohngruppen. Pflege- und Funktionsräume treten in den Hintergrund. Die Bewohner*innen-Zimmer wurden ringförmig um die - architektonisch reizvollen - Lichthöfe angeordnet. Für Bewohner*innen*innen mit starkem Bewegungsdrang wurden so Laufwege geschaffen, die ein freies Bewegen in der Wohngruppe ermöglichen.
Gestaltung des Außengeländes - Sinnesgarten
Die Wohngruppen im Erdgeschoß haben einen direkten Zugang zum Außengelände. Alle weiteren Bewohner*innen*innen können den Garten durch eine zentrale Tür erreichen.
Dort bietet ein großer Sinnesgarten Raum für Erinnerungen und geleitete Wege führen durch die Bereiche Küste, Ruhrgebiet, Münsterland, Weinberge und Berglandschaft. Dort können eine aufgeschüttete Düne mit Gras, Wasserspiel, Strandkörben, steinerne Hochbeete, bepflanzte Lauben etc. aufgesucht werden. Gartenbänke laden zum Verweilen ein. Der gesamte Bereich wurde mit einer Umzäunung gesichert. So wird der Bewohner*innen*innen-Sicherheit Sorge getragen und eine größtmögliche Bewegungsfreiheit gewährleistet. Bei der Bepflanzung wurden besonders alte und duftend-stimulierende Blumenarten und Kräutersorten berücksichtigt. Die zum Ausgangpunkt zurückführenden Wege sind durchweg rollstuhlgerecht angelegt und reichen weitläufig fast um die gesamten Wohnhäuser. Die “Gartenbuden“ ermöglichen im Rahmen gemeinsamer Außenaktivitäten eine unkomplizierte Bewirtschaftung.
Bewohner*innen*innen-Sicherheit
Neben den Sicherheitsaspekten im Außengelände wurde auch in ein durchdachtes „Dementensystem“ im Gebäude investiert, welches zum einen ein freies Bewegen sicherstellt, andererseits jedoch meldet, wenn der sicher gestaltete Bereich vom „hin-/ weglaufenden“ Bewohner*innen*innen verlassen wird. Hierzu wird eine Meldung auf das Mobiltelefon des zuständigen Mitarbeiter*innen ausgegeben.
Pflegekonzept
Christliche Leitlinien für die Pflege und Betreuung
Das Konzept für die Betreuung demenziell erkrankter Bewohner*innen*innen baut auf bestehende Leitbilder und Konzepte der Einrichtung auf. Als Grundlage hierfür dient das Leitbild. Unser Umgang mit den Menschen wird vom biblischen und christlichen Menschenbild bestimmt. Im Mittelpunkt unseres Handelns steht daher der Mensch in seiner Einmaligkeit und unantastbaren Würde. Somit steht der psychisch Kranke und in seinen alltagspraktischen Fähigkeiten eingeschränkte Mensch im Mittelpunkt seiner individuellen Ganzheit. Diese ist geprägt von seiner Lebensgeschichte und seinen sozialen Bezügen. Bedingt durch seine Erkrankung lebt er nach seinen eigenen Normen- und Wertvorstellungen. Mit unserem Betreuungskonzept schaffen wir einen Rahmen, der dem demenziell erkrankten Bewohner*innen*innen gerecht wird mit dem Ziel, das individuelle Wohlbefinden zu stärken und zu erhalten. Dies beinhaltet den ehrlichen, echten, einfühlsamen und akzeptierenden Umgang mit den uns anvertrauten Menschen. Daraus ergeben sich folgende Grundleitlinien für die Pflege und Betreuung:
1. Die biographische Grundhaltung
Die biographische Grundhaltung umfasst die Berücksichtigung historischer Erfahrung der individuellen Lebensgeschichte, von Gewohnheiten und gewachsenen Interessen und Neigungen. Es erfordert Offenheit, Interesse, Aufmerksamkeit und Wertschätzung dem Leben der Bewohner*innen gegenüber.
2.Die Millieugestaltung.
Die bewusste Millieugestaltung schafft ein Lebensumfeld, das sowohl schützende als auch anregende Elemente aufweist, das eine möglichst normale Leben in einer entspannten und stressfreien Atmosphäre ermöglicht.
3. Der verstehende Umgang.
Die drei Grundhaltungen in der Begegnung mit dem Dementen sind nach Carl Rogers ein einfühlendes Verstehen ist das Bestreben, das Erleben und die Gefühle des Gegenübers zu erfassen und dem Gegenüber authentisch zu begegnen und sich seiner eigenen Gefühle, Impulse, Eindrücke bewusst zu sein.
4. Das Normalitätsprinzip.
Das Normalitätsprinzip schafft geeignete Lebensbedingungen und bietet zeitgleich individuelle Unterstützung und Hilfe. Ziel ist es, den Bewohner*innen*innen im Rahmen eines gepflegten Alltags ein Leben nach seinen eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen zu ermöglichen. Für die Mitarbeiter*innen in der Pflege und Betreuung sind diese Leitlinien eine Grundlage um auf bestimmte Situationen gezielt und angemessen reagieren zu können.
Ganzheitlicher Ansatz
Dem Pflegeleitbild der Einrichtung liegt ein ganzheitlicher Ansatz zu Grunde. Die demenziell erkrankten Bewohner*innen weisen im Alter teilweise andere Symptome und Verhaltensverläufe auf, als in den vorhergehenden Lebensabschnitten. Typisch ist die besondere Verflechtung von sozialen, psychischen und körperlichen Veränderungen. Kennzeichen ist auch, dass die besonderen Probleme des Alterns und die psychischen Krankheitssymptome wechselseitig aufeinander wirken. Die Pflege demenziell Erkrankter ist ein eigenes Fachgebiet, das vor allem auf soziologischen, gerontologischen, psychologischen und psychiatrischen Erkenntnissen beruht und durch eine pflegewissenschaftliche Betrachtung ergänzt wird. Ihre Orientierung findet sie in der Lebensqualität des Betroffenen. Das nachfolgend dargestellte Verständnis von einer ganzheitlichen Pflege und Betreuung zeigt Besonderheiten, die für die Pflege demenziell Erkrankter typisch ist sind:
- Menschen in einer besonderen Lebensphase
- Krankheiten mit oft chronischen Verläufen. Das Behandlungsziel ist daher häufig eine Linderung der Beschwerden oder eine verbesserte Anpassung in das Leben mit der Erkrankung.
- Demenziell Erkrankte leiden häufig unter Multimorbidität. Die Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Erkrankungen erfordern eine gezielte Behandlung und Beobachtung. Dabei ist stets die Frage nach den Auswirkungen auf das gegenwärtige Leben zu stellen.
- Demente blicken auf viele Jahrzehnte der Lebenserfahrung zurück durch die sie geprägt wurden. Das Verständnis für den Menschen kann nur unter Berücksichtigung dieser geschichtlichen und persönlichen Erfahrungen gelingen.
- Die Pflege dementer Menschen erstreckt sich häufig über einen langen Zeitraum, oft über Jahre, bis hin zum Tod.
All diese genannten Besonderheiten für die Pflege dementer Menschen weisen darauf hin, dass die Ganzheitlichkeit als pflegerisches Prinzip in besonderer Weise zu berücksichtigen ist. Die Verflechtung von psychischen und körperlichen Erkrankungen macht ein psychosomatisches Pflegeverständnis unter Berücksichtigung der Lebensgeschichte notwendig. Zahlreiche psychische Störungen sind in der individuellen Lebensgeschichte angesiedelt und nur vor diesem Hintergrund zu verstehen. Es ist daher notwendig, das pflegende grundlegende Kenntnisse der Lebensgeschichte mit dem Wissen über Vorlieben, Wünsche und Gewohnheiten des Einzelnen in die tägliche Betreuung einfließen zu lassen. Daher ist es täglich wiederkehrende Herausforderung für die Pflegenden, den demenziell Erkrankten unter Berücksichtigung des ganzheitlichen Ansatzes zu betreuen.
Pflegetheoretischer Ansatz
Die Grundlage unserer Pflege im Eduard-Michelis-Haus hat sich zusätzlich zu den im Pflegeleitbild postulierten Grundsätzen als Arbeitsgrundlage und Ergänzung für den personenzentrierten Ansatz entschieden. Dieser geht auf Carl Rogers zurück und stellt die Selbstbestimmung des Menschen in den Vordergrund. Nach Rogers weiß jeder Mensch selbst, was ihm guttut und was für ihn notwendig ist. Oft benötigt der Betroffene Unterstützung, um dieses herauszufinden. In der pflegerischen Beziehung gilt es, die Fähigkeiten und Ressourcen der Bewohner*innen*innen zu erkennen, zu nutzen und zu fördern.
Daher nutzen wir das Strukturmodell, dem ein pflegewissenschaftliches Konzept zu Grunde liegt. Zentrale Schritte sind die Erfassung der individuellen Fähigkeiten und Gewohnheiten des Pflegebedürftigen. Danach schließt sich der „professionelle Filter“ an, in dem aus Sicht der Pflegefachkraft die vorliegenden Pflegeprobleme unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen bewertet werden. Dieser Ausdruck der pflegefachlichen Kompetenz wird im weiteren Verlauf des Pflegeprozesses in der tagesstrukturierenden Maßnahmenplanung und der Evaluation sichtbar. Das Strukturmodell orientiert sich am vierschrittigen Prozess der WHO und gliedert sich wie folgt:
- Strukturierte Informationssammlung (SIS)
- Tagesstrukturierende Maßnahmenplanung
- Bericht mit dem Fokus auf Abweichungen
- Evaluation.
Die Strukturierte Informationssammlung als wissenschaftsbasiertes Konzept gilt als Kernstück im Strukturmodell. Zu Beginn des pflegerischen Auftrags wird dem Pflegebedürftigen Raum gegeben, seine Sichtweise zur derzeitigen Situation, zur Vorstellung des Hilfebedarfs, ggf. Ängsten, individuellen Wünschen und Gewohnheiten zu schildern. Das Zusammenwirken der Sichtweise des pflegebedürftigen Menschen und die pflegefachliche Einschätzung bilden die Grundlage von Entscheidungen zu Art und Umfang der Pflege und Betreuung und führen zu einer das Pflegeangebot betreffenden gemeinsamen Vereinbarung. Die Verantwortung der Steuerung des Pflegeprozesses liegt bei der Pflegefachkraft. Sie leitet das Pflegeteam an und koordiniert im Sinne des pflegebedürftigen Menschen die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team. Weitere Ausführungen und Erklärungen zum Umgang mit dem Strukturmodell gliedern sich wie folgt:
Eingangsfrage / Gesprächseinstieg
Pflege fördert die Beziehung und unterstützt die Kommunikation.
Intention dieses bewusst offenen gehaltenen Gesprächseinstiegs ist es, einen (ersten) Eindruck zu gewinnen, wie die pflegebedürftige Person (und/oder deren Angehörige/ Betreuungspersonen) die eigene Situation wahrnimmt. Da dieses Gespräch nicht selten im Beisein von Angehörigen oder Ehepartnern stattfindet, wird evtl. gleichzeitig deutlich, welche Rolle die Angehörigen im Kontext der pflegerischen Versorgung oder familiärer Gegebenheiten/ Dynamiken spielen. Entscheidend sind hierbei das aktive Zuhören und eine Hilfestellung beim Formulieren von Wünschen, individuellen Bedürfnissen, Sorgen und Ängsten.
Die Informationen der Bewohner*innen*innen sollen im Originalton (mit Dialekt) und um die erfragten (nicht interpretierten) Befindlichkeiten dokumentiert und nicht in die Fachsprache übersetzt werden. Darüber hinaus können Aussagen zu pflegerelevanten biografischen Zusammenhängen aufgenommen und festgehalten werden.
Themenfeld 1: kognitive und kommunikative Fähigkeiten
In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung dazu, inwieweit der Bewohner*innen*innen in der Lage ist, sich zeitlich, persönlich und örtlich zu orientieren, zu interagieren sowie Risiken und Gefahren zu erkennen. Hier ist auch das Auftreten von herausfordernden Verhaltensweisen wie z. B. nächtlicher Unruhe, Umherwandern (Weglaufen) oder aggressiv abwehrendes Verhalten zu beschreiben.
Die Pflegefachkraft sollte möglichst prägnant diesbezüglich die pflegerische Situation mit Handlungs- und Gestaltungsräumen der pflegebedürftigen Person, ihren Kompetenzen, Gewohnheiten, Risiken und fachlichen Erfordernissen festhalten.
Themenfeld 2: Mobilität und Bewegung
In diesem Themenfeld geht es im die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung dazu, inwieweit der Bewohner*innen*innen in der Lage ist, sich frei und selbstständig innerhalb und außerhalb des Zimmers bzw. des Wohnbereichs zu bewegen.
Wichtig ist dabei die fachliche Einschätzung/ Beschreibung der Möglichkeiten der Person, sich durch die Bewegung in angemessenen Umfang Anregung verschaffen zu können sowie an der Alltagswelt teilzuhaben und teilzunehmen. Der Aspekt des herausfordernden Verhaltens muss dabei berücksichtigt werden.
Themenfeld 3: krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen
Es geht um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit der zu pflegende Bewohner*innen*innen durch die gesundheitliche Situation/ Einschränkung und Belastung z. B. durch Schmerzen, Ängste und deren Folgen, pflegerisch- fachlich Unterstützungsbedarf zeigt. Insbesondere sind die individuellen Belastungsfaktoren, die therapeutischen Settings, die Compliance oder der Handlungsbedarf und der evtl. Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung von Risiken und Phänomenen oder deren Kompensationen zu beschreiben und hinsichtlich ihrer krankheits- und therapiebedingten Anforderungen einzuschätzen. Es geht nicht um die Aufzählung von Diagnosen und ärztlichen Therapien/ Medikamenten, die bereits in anderer Weise erfasst und dokumentiert sind. In der Tagesstruktur ist dann entsprechend des Zustandes, die Fähigkeiten und geäußerten Wünsche die Hilfeform zu planen.
Themenfeld 4: Selbstversorgung
Pflege fördert und unterstützt die individuell gewünschte Körperpflege. In diesem Themenfeld geht es um individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit der zu pflegende Bewohner*innen*innen in der Lage ist z. B. Körperpflege, Ankleiden, Essen und Trinken, etc. selbstständig/ mit Unterstützung zu realisieren. Ziel ist die größtmögliche Kompetenz, Autonomie und Selbstverwirklichung. Evtl. ethische und fachliche Konflikte zwischen den oben genannten Werten und die Verständigungsprozesse sind nachvollziehbar zu beschreiben.
In der Tagesstruktur ist dann entsprechend des Zustandes, der Fähigkeiten und geäußerten Wünschen die Hilfeform zu planen.
Themenfeld 5: Leben in sozialen Beziehungen
Hier geht es um die individuelle und situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit der pflegebedürftige Bewohner*innen*innen Aktivitäten im näheren Umfeld und im außerhäuslichen Bereich selbstständig/ mit Unterstützung gestalten kann und wer sie ggf. dabei unterstützt (privates Umfeld). In diesem Lebensbereich spielen die Tagesgestaltung, die Hobbys, die Interessen und selbstständigen Aktivitäten der Bewohner*innen*innen eine Rolle. Auch Aktivitäten, die zusammen mit anderen Personen wie z. B. Mit Bewohner*innen, Angehörige, Mitarbeitende, Beschäftigungstherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden u. a. unternommen werden, fließen hier ein. In der Tagesstruktur ist dann entsprechend des Zustandes, der Fähigkeiten und geäußerten Wünsche die Hilfeform zu planen.
Themenfeld 6: Wohnen und Häuslichkeit
In diesem Themenfeld geht es um die individuelle, situationsgerechte Erfassung und Beschreibung, inwieweit der Bewohner*innen*innen ihre Bedürfnisse und Bedarfe in Hinblick auf Wohnen und die Häuslichkeit in der Einrichtung umsetzen kann. Sie sind wichtig für den Erhalt der Gesundheit, Kompetenz, Wohlbefinden und die Möglichkeit, sich zu orientieren, sowie Sicherheit durch vertrautes zu erlangen, insbesondere in der unmittelbaren Lebensumwelt, Biografie insbesondere bei Menschen mit Demenz. In der Tagesstruktur ist dann entsprechend des Zustandes, der Fähigkeiten und geäußerten Wünsche die Hilfeform zu planen.
Im Risikomanagement der Pflegedokumentation erfolgt die „Besinnung“ auf die fachliche Kompetenz von Pflegefachkräften. Zunächst wird aus dem Blickwinkel von Fachlichkeit und beruflichem Erfahrungswissen die Situation der pflegebedürftigen Person beurteilt, bevor eine Entscheidung zur Notwendigkeit einer vertieften Einschätzung (intensive Beobachtungsphase) eingeleitet wird. Hier bietet die SIS in ihrer Matrix eine sinnvolle Verknüpfung zwischen Initialassessment und Entscheidung zur Notwendigkeit einer vertieften Einschätzung an, die fachwissenschaftlich begründet ist und nun als praxisnahes Vorgehen eingesetzt werden soll.
Hinweise zu Prophylaxen finden in der Maßnahmenplanung. Mittels des hier bewusst gewählten Ankreuzverfahrens (Prinzip der Matrix) erfolgt eine erste fachliche Einschätzung hinsichtlich der Zusammenhänge pflegesensitiver Risiken und Phänomene in Bezug den Themenfeldern. Durch die Matrixstruktur sollen die Risiken und Phänomene, wie z. B. Dekubitus oder Sturz im Kontext von z. B. Kognition/ Kommunikation, zusammenhängend bewertet und dokumentiert werden. Die Erfassung in diesem Abschnitt der SIS muss mit Informationen in den Themenfeldern korrespondieren.
Zusätzlich gibt es die Kategorie „Sonstiges“ für weitere Risiken oder Phänomene je nach spezieller Situation der pflegebedürftigen Person. Hierzu gehören nicht spezifische Themen der Prophylaxe. Diese finden in der praktischen Umsetzung Eingang in der Maßnahmenplanung als Konsequenz aller Erkenntnisse aus der SIS.[6]
Organisation der Pflege (Bezugspflege, Dokumentationssystem)
Organisiert ist die Pflege und Betreuung im Eduard-Michelis-Haus im System der Bezugspflege. Das bedeutet, dass mehrere Bewohner*innen*innen einer Pflegefachkraft und weiteren Pflegekräften zugeordnet sind und als Ansprechpartner für alltägliche Belange, Fragen und Kritik zur Verfügung stehen. Diese Zuordnung sollte nach Möglichkeit in der Personaleinsatzplanung Berücksichtigung finden.
Gerontopsychiatrisch beeinträchtige Bewohner*innen*innen werden somit durch eine hohe personelle Kontinuität gefördert. Durch die Intensität der Beziehung werden die Individualität, die Ressourcen und Probleme, Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner*innen*innen*innen berücksichtigt und in der pflegerischen Versorgung umgesetzt. Dieses trägt zur Förderung von Teilhabe und Selbstbestimmung bei. Verantwortung für die Pflege und Betreuung der Bewohner*innen*innen zu haben, bedeutet nicht, alle Tätigkeiten auch selbst durchführen zu müssen. Einzelne Aufgaben werden an zugeordnete Pflegekräfte delegiert. Bei Abwesenheit wird die Bezugspflegekraft durch andere Pflegefachkräfte vertreten. Die Steuerung des gesamten Pflegeprozesses bleibt im Sinne des Strukturmodells bei jeder Pflegefachkraft und ist nicht der Bezugspflegekraft allein zugeordnet.
Expertenstandards
Die Standards, die durch das deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) entwickelt wurden sind wissenschaftlich fundierte Instrumente. Im Rahmen des Qualitätsmanagements werden die nationalen Expertenstandards grundsätzlich berücksichtigt. Sie sollen effektiv in die Pflegepraxis eingearbeitet werden. Folgende Expertenstandards werden dabei berücksichtigt[7]:
- Pflege von Menschen mit chronischen Wunden
- Sturzprophylaxe in der Pflege
- Schmerzmanagement in der Pflege
- Förderung der Harnkontinenz in der Pflege
- Dekubitusprophylaxe in der Pflege
- Ernährungsmanagement in der Pflege
- Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz
Methodische Ansätze
Die methodischen Ansätze sollen die Art und Weise der Umsetzung des Pflege- und Betreuungsdienstes verdeutlichen. Sie sollen verstanden werden als eine konkretisierende Ergänzung im Umgang mit demenziell Erkrankten zum Modell Tom Kitwood.
Beziehungspflege
Bei der Gestaltung von Beziehung und Milieu muss der Ansatz zur pflegerischen Intervention gesucht werden. Demenz als soziales Problem ist primär Ausdruck einer Krise von Beziehungen. Das Problemfeld Demenz entwickelt sich für die Umwelt durch nicht nachvollziehbare Handlungen und Verhaltensauffälligkeiten des Erkrankten. Da bei einer auftretenden Demenz viele kognitive Fähigkeiten (Erinnerung, Verstehen, Orientierung, Urteilsvermögen, etc.) verloren gehen, hat dies einen Einfluss auf die noch vorhandenen Ressourcen und somit auf die Lebensqualität. Der Demente wird so zum handlungsleitenden Kerngedanken des Pflegenden. Um die Qualität der Beziehungspflege zu verbessern benötigen Pflegende auch ein multiprofessionelles Team. Die Qualität der Beziehungspflege ist ebenso ausschlaggebend für das Wohlbefinden der Demenzkranken. Somit nimmt die Beziehungspflege in der täglichen Arbeit einen hohen Stellenwert ein und ist Voraussetzung für eine professionelle ganzheitliche Pflege.
Kommunikationsformen für den verstehenden Umgang
Der demenziell veränderte Mensch leidet unter einem Verlust seines Kurzzeit- und mit fortschreitender Erkrankung auch seines Langzeitgedächtnisses. Immer weniger ist er in der Lage, sich an der immer neugestaltenden Gegenwart zu orientieren. Er lebt in seinen ihm noch verbleibenden Erinnerungen. Die Gefühlswelt, die Intuition und der Körper bleiben am längsten erhalten und sind die wichtigsten kommunikativen Zugänge. Dieses erfordert spezielle Kommunikationsformen im Umgang mit dementen Bewohner*innen. Damit sie sich verstanden fühlen und so ein Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit aufgebaut werden kann, sind besondere Techniken der Kontaktherstellung notwendig.
Angemessener Kommunikationsstil
Im Umgang mit demenziell Erkrankten spielt ein angemessener Kommunikationsstil eine besondere Rolle. Der Interaktionsstil zwischen Demenzkranken und Betreuern ist immer den kognitiven Fähigkeiten und dem Tempo des Erkrankten angepasst und sollen ihn weder über- noch unterfordern. Das aktive Zuhören, anreden mit Namen und einfühlende Gespräche sind Grundvoraussetzungen für den alltäglichen Umgang. Der Kommunikationsstil ist von liebevoller Sorge, viel Ruhe und Geduld geprägt. Es werden einfache Worte und klar formulierte Sätze verwendet. Fragen sollten immer mit “ja“ oder “nein“ beantwortet werden. Die Stimmlage ist ruhig und ausgeglichen. Der Demente ist immer von vorne mit Blickkontakt anzusprechen. Die Wortwahl richtet sich nach dem Wortschatz des betagten Menschen. Von ebenso großer Bedeutung ist der nonverbale Anteil in der Kommunikation. Selbst wenn die Sprache nicht mehr verstanden wird, erfasst der demenziell Erkrankte noch viel über die nichtsprachliche Kommunikation.
Validation
Die Grundidee des validierenden Ansatzes ist es, den verwirrten alten Menschen nicht in unsere Realität zu holen, sondern ihn in seiner Gefühls- und Erlebniswelt anzuerkennen und nicht korrigierend auf ihn einzuwirken. Unser Ziel ist die Stärkung des Selbstwertgefühls und der Identität. An Stelle des Korrigierens von Verhaltensweisen, die der äußeren Realität nicht angepasst scheinen, werden die Gefühle, die sich in diesem Verhalten zeigen, akzeptiert. Wichtige Umgangsweisen in der Validation sind neben dem Verzicht auf eine Realitätsorientierung das Verbalisieren von Gefühlen, das Mitgehen mit Bewegungen, Körperberührungen und Blickkontakt, die Arbeit mit Erinnerungen sowie die explizite Gestaltung nonverbaler Kommunikation. Mit dieser speziellen Methode der Kommunikation soll erreicht werden, dass Krisensituationen in den Wohngruppen vermindert werden und sich die dementen Bewohner*innen*innen verstanden fühlen. Grundvoraussetzung ist eine ausführliche Biographiearbeit und die Berücksichtigung von persönlichen Ritualen der Bewohner*innen*innen.
Snoezelen
Die Methode des Snoezelen wurde in unser Konzept aufgenommen, um eine Beziehung zu den Menschen herzustellen, die nicht mehr in der Lage sind von sich aus Kontakt aufzubauen. Snoezelen ist eine Erfahrung über die fünf Sinne. Je nach Auswahl der Reize kann Snoezelen eher entspannen oder anregen. Da ein Snoezelraum oftmals für Bewohner*innen*innen schwierig zu erreichen ist, wird ein spezieller Snoezelwagen genutzt. Er ist mit verschiedenen Tastobjekten, Aromadüften, einem Projektor, einem Musikgerät und CDs ausgestattet und wird mobil in den Wohnbereichen eingesetzt. Die Anwendung kann als Einzel- oder Gruppenangebot genutzt werden und wird von einer Fachkraft begleitet.
Basale Stimulation
Eine weitere Methode, die Sinne anzuregen ist die basale Stimulation. Sie soll sowohl in den normalen Tagesablauf integriert oder als gezielte Einzelmaßnahme angewendet werden. In der alltäglichen Pflege werden gezielt fördernde und aktivierende Wahrnehmungsmöglichkeiten angeboten. Im Rahmen von Waschungen, Einreibungen, Berührungen, Teilbädern werden gezielt Geschmacks-, Gefühls- und Duftreize gesetzt. Auf optische Reize wie zum Beispiel Bilder, Farben, Fotos und Blumen wird gezielt hingewiesen. Bei bettlägerigen Bewohner*innen kann in gezielten Einzelmaßnahmen zum Beispiel eine vertraute Musik oder Melodie vorgespielt werden. Die ausgewählten Reize ergeben sich sinnvollerweise aus der Biographie. Es sollte stets darauf geachtet werden, dass ein Gleichgewicht zwischen Anregung und Ruhe hergestellt wird.
Begleitung sterbender dementer Bewohner*innen*innen
Welche Bedeutung der Tod und das Sterben für den Demenzkranken selbst hat, kann nur schwer beurteilt werden. Grond beschreibt das Sterben Demenzkranker als jahrelanges Sterben…
… des Gedächtnisses
… der Wortfindung
…des Handelns und Erkennens
... der Gefühl- und Impulskontrolle
… soziales Sterben
…kommunikatives Sterben
…langes Siechtum mit Inkontinenz, Dekubitus und Schluckstörung
…klinischer Tod, Hirntod.
Bei fortgeschrittener Demenz ist es nicht möglich über Tod und Sterben zu kommunizieren. Angehörige sind oft die einzige Brücke zur Biographie des Sterbenden. Im Kontakt mit Angehörigen sollen die Themen Sterben, Sterbebegleitung und Tod vorab offen angesprochen werden. Wünsche und Bedürfnisse werden erfragt, zum Teil ergeben sich wichtige Informationen, die direkten Einfluss auf die Pflege- und Betreuungssituation der Bewohner*innen haben. Demente können nur selten klare Schmerzäußerungen geben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Schmerzwahrnehmung aufgrund der Demenz verändert ist. Der sterbende Mensch erlebt Schmerzen, die beispielsweise durch einen Dekubitus, durch Schluckstörungen, durch Atemnot, durch Übelkeit oder Inkontinenz hervorgerufen werden anders der somatisch kranke Mensch, da er sich die Schmerzen nicht erklären kann. Das sorgt oft für einen Anstieg von Angst und Einsamkeit. Eine sehr gute Krankenbeobachtung der körperlichen Reaktion im Endstadium ist Voraussetzung, um zu erkennen, was dem Sterbenden guttut und was nicht. Mimik und Gestik sprechen Bände. Der Atem, der Muskeltonus, Schweißperlen und vieles andere können Auskunft über den subjektiven Zustand des Sterbenden geben. Bei einer demenziellen Erkrankung leiden das Gedächtnis und die kognitiven Fähigkeiten. Seele und Gefühle bleiben erhalten. Demente reagieren sehr sensibel auf die Stimmungslage des Begleiters, auch wenn keine Worte gefunden werden, die ihr Empfinden ausdrücken.
Die Prinzipien der palliativen Versorgung werden einbezogen. Hauptziel dabei ist es die Verwirklichung der bestmöglichen Lebensqualität für die Betroffenen und ihre Angehörigen. Sie unterstützt das Leben und betrachtet Sterben als einen natürlichen Vorgang. Die palliative Versorgung legt ihren Schwerpunkt auf Schmerz- und Symptomlinderung und integriert körperliche, psychische, soziale, spirituelle und seelisch- geistige Aspekte. Das Sterben wird als normaler Prozess betrachtet, der weder künstlich verlängert noch verkürzt werden sollte. Ein Ansatz zur Kommunikation mit bewusstseinseingeschränkten Menschen ist die basale Stimulation. Körperliche Stimulationen wie Waschungen und Einreibungen sind oft die letzte Möglichkeit der Kommunikation. Die emotionale Wahrnehmungsfähigkeit bleibt bis zum Tod erhalten und auch der Einsatz von Musik kann im Rahmen der Sterbebegleitung eine Möglichkeit sein. Die Integration von spirituellen und religiösen Elementen in einen wichtigen Bestandteil der Begleitung. Religiöse Bedürfnisse werden beachtet und seelsorglicher Beistand wird vermittelt, falls gewünscht. Religiöse Rituale sind häufig nachvollziehbar und der Besuch eines Gottesdienstes kann durchaus für den Bewohner*innen*innen beruhigend wirken.
Die Sterbebegleitung erfordert ebenso einen Austausch im multiprofessionellen Team, sowie eine gute Absprache mit dem Hausarzt. Gute Absprachen, Offenheit und die Berücksichtigung von persönlichen Fähigkeiten und Beziehung sind dabei wichtig. Die Einbindung von Angehörigen setzt eine kontinuierliche Zusammenarbeit voraus. Auch besteht in Absprache die Möglichkeit Mitarbeiter*innen eines ambulanten Hospizdienstes einzubeziehen.
Pflege- und Betreuungsmanagement
Tagesstrukturierende Maßnahmen
Der soziale Dienst koordiniert in Absprache mit dem Pflegedienst das entsprechende Betreuungsangebot.
Die durch die Hirnleistungseinbußen hervorgerufenen Orientierungsstörungen bezüglich Raum, Zeit, Personen und Situationen erschweren eine für die Bewohner*innen*innen sinnvolle und befriedigende Eigenbeschäftigung und Gestaltung der zur Verfügung stehenden Zeit. Die Gestaltung eines Tagesablaufes orientiert sich an den Bedürfnissen, Vorlieben und Gewohnheit des Menschen. Bisherige Lebens- und Tagesrhythmen sollen beibehalten werden.
Arbeitsabläufe in der Pflege werden dabei flexibel an die Zeiten der Bewohner*innen angepasst. Eine angemessene Tages- und Wochenstruktur mit Beschäftigungsangeboten berücksichtigt dabei die individuellen Interessen der Bewohner*innen. Hierbei steht das Normalitätsprinzip im Vordergrund. Hauswirtschaftliche Verrichtungen, Beschäftigungen aus dem bisherigen Leben und vertraute Alltagsaktivitäten wie zum Beispiel Handreichungen, Tisch decken, etc. sollen gezielt gefördert und beibehalten werden. Der Tagesablauf ist strukturiert und schließt Aktivitäten ein, die den Gemeinschaftssinn fördern. Zum Beispiel gemeinsame Mahlzeiten, Zeitung lesen, aber auch gemeinsames Backen, Marmelade kochen, Obst schälen, Wäsche auffalten, Singrunden usw.
Zudem wird eine 10-Minuten-Aktivierung angeboten.
Einzel- und Gruppenaktivitäten werden auf der Basis früherer Gewohnheiten und Vorlieben und mit Themen aus ihrem früheren Leben ausgewählt. Die die emotionalen und affektiven gegenüber dem gestrigen- und gedächtnisbezogenem Vermögen noch gut erhalten sind, werden gefühlsbetonte Gruppenangebote, wie zum Beispiel gemeinsames Singen, Musik hören und aufheiternde, lustige Beschäftigungen im Vordergrund stehen. Ggfs. werden auch abends Angebote zur Beschäftigung und Kommunikation gemacht. Für die Dementen gerechten Tagesstrukturierung sind der Gruppenbezug und die Mitwirkung aller Mitarbeitenden von großer Bedeutung. Das Zugegensein und Mitwirken in den Gruppenaktivitäten stellt zudem einen zusätzlichen Schutz-und Sicherheitsfaktor dar und vermittelt das Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens.
Tagesstrukturierende Angebote unterliegen hinsichtlich der Teilnahme der Freiwilligkeit und stellen kein Zwangs- oder Pflichtprogramm dar. Über den Tag verteilte Aktivierungsangebote wechseln sich mit Ruhephasen ab, um eine Reizüberflutung zu vermeiden. Neben den Phasen der Ruhe werden Möglichkeiten geschaffen, damit auch der Unruhe, z.B. Laufdrang Rechnung getragen wird.
Multiprofessionelle Teamarbeit
Um den ganzheitlichen Ansatz verwirklichen zu können ist ein multiprofessionelles Team mit einer entsprechenden Qualifikation erforderlich. Zum multiprofessionellen Team gehören zukünftig unter organisatorischer Federführung der Pflege auch die Mitarbeiter*innen der Bereiche sozialer und hauswirtschaftlicher Dienste. Die fachlich-inhaltliche Ausgestaltung obliegt weiterhin der entsprechenden Leitung.
Das Arbeitsklima des Teams hat einen wesentlichen Einfluss auf das Verhalten und die Stimmung der Bewohner*innen. Ausgeglichenheit und Heiterkeit übertragen sich ebenso schnell wie Spannungen, Ärger und Unruhe. Der Umgangston im Team soll geprägt sein von Akzeptanz und gegenseitiger Wertschätzung. Im Rahmen der täglichen Übergaben, aber auch in regelmäßigen Fallbesprechungen, Teambesprechungen und Qualitätszirkeln sollen klare Absprachen getroffen werden. Probleme werden angesprochen um Lösungsmöglichkeiten zu finden. Im Ganzheitlichen Verständnis wird so auch der Informationsaustausch im Sinne der Bewohner*innen angeregt.
Rolle von Angehörigen und ehrenamtlichen Helfern
Angehörige und ehrenamtliche Helfer spielen in der neuen konzeptionellen Ausrichtung eine große Rolle. Diese Menschen gehören zum Lebensalltag in einer Wohngruppe selbstverständlich dazu.
Angehörigenarbeit
Die Angehörigenarbeit ist ein wesentlicher Bestandteil in der Arbeit mit den Bewohner*innen. Ziel ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zum Wohl der ins besonderen demenziell veränderten Bewohner*innen. Angehörige oder auch enge Freunde sind wichtige Informationsquellen, die Aussagen zur Biographie machen können. Dazu gehört nicht nur das Wissen über Vorlieben und Abneigungen, Hobbies und Bildung, sondern vor allem auch die Kenntnisse über Gefühle und Situationen, die zum Beispiel herausforderndes Verhalten bedingen.
Angehörige leiden häufig unter der Pflegebedürftigkeit und dem körperlichen und psychischen Abbau ihrer Angehörigen. Häufig kommen Schuldgefühle auf, welche begleitet werden durch ein Unverständnis der krankheitsbedingten Verhaltensänderung. Die Aufgabe der Einrichtungs- und Pflegedienstleitung sowie der der Pflege- und Betreuungskräfte besteht insbesondere darin, den Angehörigen Verständnis entgegen zu bringen und Krankheitssymptome zu erklären, um ihnen dadurch psychische Entlastung zu ermöglichen. Häufig empfinden Angehörige das Gefühl des persönlichen Versagens. Im persönlichen Gespräch sollen sie beruhigt und aufgefangen werden. Ein weiterer Aspekt ist auch, dass sich ein guter Kontakt zu den Angehörigen mittelbar auch auf den Bewohner*innen überträgt. Grundsätzlich werden Angehörige dazu motiviert, sich aktiv in die Betreuung einzubringen. Diese Einbindung spielt zum Beispiel bei der Einnahme der Mahlzeiten, Bewohner*innen-Festivitäten oder dem einfachen Spazierengehen eine bedeutende Rolle. Die Kommunikation dient nicht nur dem Kennenlernen, sondern trägt auch dazu bei, Missstimmungen zwischen Bewohner*innen, Angehörigen und Mitarbeiter*innen zu verringern. Regelmäßige Sprechzeiten der Einrichtungs- und Pflegedienstleitung sind vorgesehen. Regelmäßige Gesprächsabende wären in Zukunft eine wichtige Ergänzung. Selbstverständlich werden Angehörige und Betreuer nach eigenen Wünschen und zu jeder Zeit in den Sterbeprozess eingebunden und werden dabei begleitet. Der Einrichtungsalltag wird für Angehörige und Betreuer so transparent gestaltet, um eine positive Beziehung zwischen allen Beteiligten herzustellen.
Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen
Schon jetzt kommen regelmäßig ehrenamtliche Helferinnen in die unterschiedlichen Wohngruppen des Eduard-Michelis-Hauses, um mit Bewohner*innen zu singen, zu spielen oder Sparziergänge zu begleiten.
Ein gutes Zusammenwirken von professionellen Mitarbeitenden, Angehörigen und ehrenamtlich Tätigen trägt deutlich dazu bei, die Lebens- und Wohnqualität in den Wohngruppen zu verbessern, hierzu zählen auch das gemeinsame Kaffeetrinken sowie Geburtstagfeiern.
Zum Einstieg werden die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen mit unterschiedlichen Möglichkeiten eines ehrenamtlichen Engagements bekannt gemacht. Nach begleiteten Testtagen wird noch einmal gesprochen, ob sich ihr Angebot und ihre Vorstellungen mit denen der Einrichtung decken. Gemeinsam wird die Form und das Ausmaß ihres Einsatzes erarbeitet.
Die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen brauchen verlässliche Ansprechpartner. Im regelmäßigen Austausch mit den Hauptamtlichen werden aufkommende Probleme besprochen. Auch werden für sie relevante Informationen über Bewohner*innen oder auch Organisatorisches weitergegeben. In der Hoffnung ihnen das Gefühl der Eingebundenheit zu vermitteln, werden die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen wertschätzend begleitet, damit sich die Bewohner*innen auf sie verlassen können. Gegenwärtig wird im Eduard-Michelis-Haus das gesamtgesellschaftliche Phänomen deutlich, ein sinkender Trend der Bereitschaft zur ehrenamtlichen Mitarbeit.
Personelle Situation
Personelle Ressourcen
Die Mitarbeitenden der verschiedenen Fachbereiche werden weiterhin regelmäßig fortgebildet. Insbesondere in dem Bereich der dementen Bewohner*innen arbeitet gerontopsychiatrisch geschultes Personal. Im Rahmen von themenspezifischen Fortbildungen sollen zukünftig weitere angemessene Fachkenntnisse zur Demenz, zum Umgang mit dementen Menschen, sowie zur Qualitätssicherung erworben werden und in die tägliche Arbeit mit einfließen. Es finden regelmäßige Fallbesprechungen, Teambesprechungen und Qualitätszirkel statt, wobei der Prozess durch eine Fachkraft begleitet wird.
Voraussetzung der Mitarbeitenden
Um eine qualifizierte Arbeit leisten zu können, sind Mitarbeitende mit einem besonderen Anforderungsprofil gefragt. Für uns gilt folgendes Anforderungsprofil:
Grundsatz: Jeder Mitarbeiter*innen sollte Freude an der Arbeit gerontopsychiatrischen veränderten Bewohner*innen haben und diese freiwillig übernehmen.
Fachliche Kompetenz
- ausreichendes Wissen über gerontopsychiatrische Krankheitsbilder (insbesondere bei z.B. bei Depression, Demenzen, Wahn) haben
- ein gutes pflegerisches Grundwissen und Können beherrschen
- hauswirtschaftliche Fähigkeiten besitzen
- geschichtliches Grundwissen und Wissen über Sitten und Gebräuche erworben haben
- musikalische Fähigkeiten oder Fähigkeiten in einem kreativen Bereich haben
- Kommunikations- und Betreuungsmethoden kennen
- sich ständig fortbilden
Persönliche Kompetenz
- ausgereifte Persönlichkeiten mit positiver fröhlicher Lebenseinstellung sein
- eine wertschätzende Grundhaltung im Umgang mit den Bewohner*innen, Angehörigen und Mitarbeitenden besitzen
- ausgesprochen einfühlsam sein
- Ruhe, Ausgeglichenheit und Geduld ausstrahlen
- ein angemessenes Maß an Nähe und Distanz wahren
- Grenzen setzen können
- flexibel, kreativ und belastbar sein
- Bereitschaft zur Selbstreflexion besitzen
- Herzlichkeit und Wärme ausstrahlen
- durch körperlichen Kontakt zu den Bewohner*innen, Akzeptanz, Zuwendung und Zärtlichkeit spüren lassen
- die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Krankheit, Alter, Sterben und Tod besitzen
- eine Beziehung zum Glauben haben
Soziale Kompetenz
- kommunikativ und offen auf andere zugehen und mit ihnen reden können
- Teamfähigkeit und Kooperationsfähigkeit besitzen
- Kritikfähig sein
- Vorbild für andere sein
- ein positives, vertrauensvolles Klima schaffen
Folgende Voraussetzungen sollten darüber hinaus vorhanden sein:
- Verständnis von Einfühlungsvermögen in der Betreuung und Pflege dementer Bewohner*innen
- Erfahrung im Umgang mit Menschen mit einer Demenz
- Bereitschaft zur kontinuierlichen Fort- und Weiterbildung
- Ein offenes kommunikatives Wesen
- Bereitschaft zu Teilnahme an regelmäßigen Teamsupervisionen
- Bereitschaft zur Mitarbeit bei der konzeptionellen Weiterentwicklung
- Bereitschaft zum flexiblen Arbeitseinsatz, zum Beispiel Nachtcafé
Bedürfnisse von Pflegenden und Betreuenden:
Ausgangspunkt für die Pflege- und Betreuungsarbeit sind einerseits die Bedürfnisse der Bewohner*innen, andererseits auch die der Pflegenden und Betreuenden. Können diese erfüllt werden, so ist unserer Meinung nach eine hohe Lebensqualität gegeben.
Bedürfnisse sind:
- Orientierung und Verhaltenssicherheit, Vorbilder
- Wissen und Information
- Begleitung und die Möglichkeit der Aussprache
- Erfolgserlebnisse, Freude an der Arbeit
- Eigenverantwortung, Kompetenzklarheit
- Kommunikation, Austausch
- Rückzugsmöglichkeit
- Anerkennung
- Sich Zeit für den Pflegenden nehmen können
- Ausreichende räumliche und materielle Ausstattung.
Qualitätsmanagement
Zum Qualitätsmanagement (QM) zählen alle Tätigkeiten der Gesamtführungsaufgabe, welche Qualitätspolitik, Ziele und Verantwortungen festlegen und diese durch Mittel wie Qualitätsplanung, -lenkung, -sicherung und –Verbesserung im Rahmen des QM verwirklichen[8]. Im Mittelpunkt der fachübergreifenden Qualitätspolitik entlang der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität steht der Bewohner*innen. Die Einrichtung überarbeitet und entwickelt die bestehenden Qualitätsstandards auch im Rahmen von Leitungsrunden Qualitätszirkeln. Hierbei wird eine Konformität zur DIN EN ISO 9000-Serie angestrebt. Das QM definiert betriebsinterne Regeln mit dem Ziel, eine kontinuierliche Verbesserung einzuleiten. QM meint die Steuerung und Koordination aller qualitätsbezogenen Tätigkeiten und Zielsetzungen. Es soll keine zusätzliche Aufgabe, sondern Teil der täglichen Arbeitsroutine sein.
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich das Eduard-Michelis-Haus im Rahmen seiner zukunftsorientierten Umstrukturierung nicht nur in baulicher Hinsicht, sondern auch in pflegetheoretischer Hinsicht auf die zukünftigen Entwicklungen einstellt. Die demographische Entwicklung verdeutlicht den drängenden Bedarf an professioneller Hilfe und Unterstützung besonders für schwer- und schwerstdemente Menschen. Die ideologischen Grundsätze, insbesondere die christliche Grundorientierung der Stiftung werden konsequent beibehalten. Mit erheblichem Aufwand wurden die baulichen Strukturen den Bedürfnissen der Versorgung demenziell Erkrankter nach modernsten gerontologischen Erkenntnissen angepasst. Nach wie vor ist hierbei weiterhin die Realisierung des Wohngruppenkonzepts. Dabei wurde das Spannungsfeld zwischen dem Freiheitsanspruch und den Sicherheitsaspekten deutlich entschärft. Das Pflegemodell nach Rogers bietet nicht nur dem alltäglichen Pflegehandeln, sondern auch dem Management der Einrichtung eine solide Grundlage.
Aktuell ergeben sich folgende Problemfelder:
Im Zusammenhang der Unterstützung durch Angehörige und ehrenamtliche Helfer wird die sinkende Bereitschaft des Engagements weiterhin als kritisch angesehen, entspricht jedoch dem gegenwärtigen gesamtgesellschaftlichen Trend. Insgesamt kann gesagt werden, dass die Versorgung von demenziell erkrankten Menschen mit alltagspraktischen Einschränkungen -unter Berücksichtigung qualitätsmanagementbezogener Aspekte- erhebliche Anforderungen an personelle Ressourcen stellt und weiter stellen wird.
Anhand vieler positiver Rückmeldungen seitens der Betroffenen und deren Angehörigen ist der politisch geforderte Weg zu einer individuellen und demografisch orientierten Versorgung (und dem Aspekt der Inklusion) mittels kleinerer Wohngruppen der richtige.
Nur so kann eine gemeindenahe Versorgung sowohl auf die Bedürfnisse der Orientierten als auch auf den steigenden Bedarf im Rahmen der Demenzversorgung gelingen. Hierbei stellt uns neben den gesellschaftlichen Erwartungen nicht nur die Versorgung der Betroffenen, sondern ebenso die einfühlsame (zeitintensive) Beratung und Begleitung der Angehörigen vor große Herausforderungen. Die Zusammensetzung und Ausprägung der Wohngruppen sind ebenso unterschiedlich wie deren Bewohner*innen und erfordert ein einfühlsames und gezieltes, aber auch flexibles Belegungsmanagement (zeitintensiv!).
Seitens der Bewohner*innen, der Angehörigen und der Behörden wird eine Mindestbesetzung der Wohngruppen gefordert, die anhand des Pflegeschlüssels nur bedingt leistbar ist. Die Folge sind Wohngruppen, die in ihrer Pflegegradzusammensetzung nur eine Mitarbeiter*innenpräsenz für einige Stunden täglich zulässt.
Angesichts der demografischen Entwicklung ist der gestiegene Versorgungsbedarf im Eduard-Michelis-Haus jetzt schon deutlich spürbar. Der Anteil der mittelschweren bis schweren Demenz liegt bei ca. 50%. Insbesondere verschärft die Besetzung der KZPF, die Tatsache, dass die dortigen Gäste zumeist mit der vorläufigen Pflegegrad 2 eingestuft sind, jedoch einen häufig höheren Versorgungsbedarf aufweisen. Eine schnelle Überprüfung durch den MDK bindet die Pflegefachkräfte jedoch zusätzlich durch die Gutachter, die eine zeitintensive Begleitung erfordert. Problematisch erscheinen hierbei Angehörige, die in Anbetracht der zu erwartenden höheren Pflegekosten, ihre Mithilfe an einer angemessenen Pflegegraduierung versagen oder durch Abwesenheit dazu nicht in der Lage sind.
In Anbetracht der gestiegenen Erwartungen an die Bewohner*innen-Sicherheit ist zu sagen, dass ein konsequentes Risikomanagement (Stürze, Hin- Weglaufgefahr, hohe Risikopotentiale bei dementen Menschen) im administrativen Rahmen sowohl seitens der Pflegedokumentation als auch in der Kommunikation zu Ärzten, Fachärzten, Kliniken und Angehörigen/Betreuern/Bevollmächtigten und der Koordination von Transporten und Untersuchungsvorbereitungen einen hohen Zeitaufwand erfordert.
Die ambulante medizinische Versorgung ist besorgniserregend. So verschärft sich der Trend besonders für Demente, da sich Hausärzte und besonders Fachärzte (Neurologen/Psychiater und Chirurgen) immer weniger zu Hausbesuchen in der Lage sehen. Wie kann eine medizinische Behandlung nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ so grundsätzlich gelingen? „Sicherheitshalber-Einweisungen“ sind die Folge, nicht aber unser Ziel. Unklar ist auch, wie die Forderung der (zeitintensiven) Begleitung zu Untersuchungen (besonders bei desorientierten und desorganisierten Bewohner*innen und Gästen der KZPF) gelingen kann, wenn Angehörige fehlen oder dies nicht leisten können/wollen? Ganz zu schweigen von der zahnärztlichen Versorgung, die ohne eine fachliche Begleitung in die Praxis kaum auskommt.
[1] Frevel, Bernhard: „Herausforderung demografischer Wandel“, 1. Auflage, VS Verlag 2004
[2] Vgl. http://www.dimdi.de [download: 19.08.2011]
[3] ICD, engl.: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems
[4] Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) ist ein Klassifikationssystem der American Psychiatric Association (Amerikanische Psychiatrische Vereinigung).
[5] http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/demenz-krankheitsstadien-184480.php, am 22.06.2014
[6] Vgl. EinSTEP; Einführung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, Version 2.0; Oktober 2017; S. 13 – 43;
[7] Vgl. Jutta König, Was die PDL wissen muss, Seite 208ff.,4. Aktualisierte Aufl., Schlütersche Verlagsgesellschaft 2010.
[8] Vgl. Loffing /Geise: Management und Betriebswirtschaft in der ambulanten und stationären Altenpflege, S. 276 ff., 2. Auflage, Verlag Hans Huber 2010