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Pflege - Essen Anreichen

AHF Füreinander Miteinander

1. Vorwort
2. Ziele
3. Grundsätzliches
4. Milieu, Kultur
5. Durchführung / Tipps


 

1. Vorwort

Allen Schluckstörungen gemeinsam ist, dass die Organe (z. B. Zunge, Kehldeckel, Speiseröhre) oder Muskeln, die am Schluckakt beteiligt sind, einzeln oder im Zusammenspiel nicht mehr regelrecht funktionieren. Mit den Schluckstörungen können gleichzeitig weitere Beschwerden auftreten, z. B. Schmerzen oder ein Druck- oder Engegefühl beim Schlucken. Außerdem kann es bei Dysphagie zu Sodbrennen kommen. Schluckstörungen können in  zwei Formen unterschieden werden:

  1. Oropharyngealer Dysphagie, die Schluckstörungen liegen im Rachenbereich, hier treten zu Beginn des Schluckakts Beschwerden auf. Betroffene verschlucken sich oder atmen Nahrungsbestandteile ein. Dadurch kommt es zu Hustenanfällen.
  2. Ösophageale Dysphagien treten auf, wenn die feste und flüssige Nahrung nicht richtig die Speiseröhre hinabgleiten kann. Der Speisebrei steigt wieder auf. Das kann bis zum Erbrechen führen.

     

2. Ziele

  • Verschlucken vermeiden
  • Einheitliches Vorgehen

 

3. Grundsätzliches

  • Das Essenanreichen hat unter allen Pflege- und Betreuungsmaßnahmen eine hohe Priorität. Daher sollten sich Pflegekräfte so viel Zeit wie möglich dafür nehmen.
  • Hektik beim Essenanreichen kann Aggressionen erzeugen.
  • Bewohner werden nicht "gefüttert", sondern es wird ihnen das Essen angereicht. Es gibt weder "Lätzchen" noch "Esslatze", sondern nur Servietten.
  • Bei Bewohnern mit Schluckstörungen oder einem eingetrübten Bewusstsein ist stets von einer erhöhten Aspirationsgefahr auszugehen.
  • Das Anreichen des Essens ist eine wichtige pflegerische Aufgabe, die insbesondere bei dementen Bewohnern viel Einfühlungsvermögen und Berufserfahrung erfordert. Daher ist es wichtig, bei herausforderndem Verhalten die Versorgung im Rahmen einer Bewohnerbesprechung zu besprechen.
  • Das Anreichen des Essens sollte i.d.R. durch einen Mitarbeiter der Beziehungspflegegruppe erfolgen. Durch die personelle Kontinuität wird insbesondere bei dementen Senioren die Bereitschaft erhöht, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen.
  • Das Eingeben der Speisen ist immer auch eine ideale Aufgabe für Angehörige, die sich aktiv an der Pflege beteiligen möchten. Es muss dabei aber immer verdeutlicht werden, dass wir diese Hilfe nicht einfordern. Bei Schluckstörungen muss die Maßnahme von einer Pflegekraft, oder einem Mitarbeiter mit langjähriger Berufserfahrung durchgeführt werden. Die Pflegefachkraft muss sich versichern, dass der Mitarbeiter dazu befähigt ist.

 

4. Milieu, Kultur

  • Wir nutzen nach Möglichkeit kein Essgeschirr oder Trinkgefäße aus Kunststoff. Diese können aufgrund des geringeren Gewichts leichter umfallen und beeinträchtigen oftmals auch das geschmackliche Empfinden.
  • Hilfsmittel wie Schnabeltassen werden nur dann eingesetzt, wenn dieses zwingend erforderlich ist. Dieses gilt auch für den generellen Ersatz der Gabel durch einen Löffel.
  • Das Essgeschirr wird vom Tablett auf den Tisch gestellt.
  • Pflegebedürftige, die an einer Halbseitenlähmung leiden, erhalten geeignetes Geschirr. Dazu zählen etwa Besteck mit verstärkten Griffen, feststehende Teller mit Rand oder Schneidebretter mit Seitenbegrenzung.
  • Es wird für eine ruhige Atmosphäre gesorgt, in der die Bewohner ihre Mahlzeit einnehmen können. Fernsehgeräte und Radiogeräte sind auszuschalten.

 

 

5. Durchführung, Tipps

Vorab:

  • Wir prüfen, welchen Umfang die Hilfsbedürftigkeit hat. Wir nutzen eventuell vorhandene Restfähigkeiten, um die Selbständigkeit des Bewohners zu fördern. Erst danach wird die Maßnahme von der Pflegekraft fortgeführt.
  • Im Rahmen der Biografiearbeit sowie im Dialog mit Angehörigen erheben wir auch Daten zum Ernährungsverhalten. Diese Informationen nutzen wir, um die Gewohnheiten des Bewohners auch in der Einrichtung zu beachten. So sollte der Bewohner insbesondere zu vertrauten Tageszeiten seine Nahrung aufnehmen.
  • Das Anreichen der Nahrung wird im Rahmen der Einarbeitung neuer Mitarbeiter geübt. Wir empfehlen insbesondere allen Mitarbeitern, sich probeweise von einem Kollegen die Nahrung eingeben zu lassen und diese Maßnahme aus der Sicht der Bewohner zu erleben.
  • Die Pflegekraft wäscht sich die Hände und führt eine hygienische Händedesinfektion durch.
  • Die Pflegekraft sollte nicht unmittelbar nach der Desinfektion der Hände mit der Zubereitung der Speisen beginnen. Der Geruch des Mittels kann an verschiedenen Speisen anhaften und durch den verfälschenden Geruch den Appetit mindern.
  • Wenn der Bewohner in einem Zweibettzimmer lebt, wird sichergestellt, dass der Mitbewohner alle planbaren Ausscheidungsprozesse rechtzeitig abschließt. Beispiel: Einläufe oder rektales Ausräumen.
  • Bei ausgeprägten Schluckstörungen wird ggf. ein Absauggerät bereitgehalten.
  • Vor der Essenseingabe überprüft die Pflegekraft, ob der Bewohner die richtigen Speisen erhalten hat. Dieses ist insbesondere wichtig, wenn der Bewohner Schonkost erhalten soll oder sich kalorienreduziert ernährt oder Unverträglichkeiten aufweist.
  • Die Pflegekraft bleibt während des gesamten Essenanreichens beim Bewohner sitzen und erledigt in dieser Zeit keine anderen Tätigkeiten.
  • Bei Bewohnern, die sich nicht mehr sprachlich äußern können, verabreden wir nonverbale Zeichen. Wenn der Bewohner satt ist, soll er z. B. die Augen schließen, den Kopf wegdrehen, den Kopf schütteln oder mit der Hand den Arm der Pflegekraft drücken. Das Öffnen des Mundes oder ein Kopfnicken hingegen kann dann bedeuten, dass die Pflegekraft den nächsten Bissen oder Löffel zum Mund führen soll.
     

Bei der Anreichung:

  • Wir nehmen mit dem Bewohner Kontakt auf.
  • Die Pflegekraft setzt sich so ans Bett, dass sie dem Bewohner gegenüber sitzt und sich auf Augenhöhe befindet. Ggf. wird das Pflegebett höher gefahren. Nach Möglichkeit sollte die Pflegekraft nicht "von oben" auf den Bewohner herabsehen. Der Bewohner sollte beim Essen den Kopf nicht überstrecken.
  • Im Wohnzimmer können Tischgruppen so genutzt werden, dass Senioren, die sich gegenüber sitzen, durch einen Mitarbeiter das Essen angereicht bekommen.
  • Ein ggf. hochgefahrenes Bettgitter wird heruntergefahren.
  • Falls notwendig und möglich, wird der Nachttisch auf eine angemessene Höhe eingestellt.
  • Das Bett und die Bekleidung des Bewohners werden mit einer Serviette vor Verschmutzung geschützt.
  • Der Teller wird so nah wie möglich beim Bewohner aufgestellt. Er soll das Gefühl bekommen, dass er von "seinem" Teller isst und nicht von der Pflegekraft. Zudem sollte der Bewohner den Inhalt des Tellers sehen können.
  • Rechtshändern stellt die Pflegekraft Glas und Messer auf die rechte Seite; bei Linkshändern ist dieses häufig (aber nicht immer) andersherum.
  • Niedriges Geschirr steht vorne, hohes Geschirr wird weiter hinten positioniert. Damit wird die Gefahr reduziert, dass der Bewohner etwas umwirft.
  • Wenn der Bewohner stark zittert, werden die Tassen und Becher nur bis zur Hälfte gefüllt.
  • Die Mahlzeit wird vor den Augen des Bewohners zerkleinert.
  • Wenn möglich sollte der Bewohner soweit mobilisiert werden, dass er das Essen an einem Tisch im Zimmer einnehmen kann.
  • Ggf. wird der Bewohner daran erinnert, die Zahnprothese einzusetzen. Falls notwendig wird er dabei unterstützt.
  • Ein immobiler Bewohner sollte sich im Bett möglichst aufrichten. Dazu wird das Kopfende des Bettes hochgefahren. Das Gewicht des Bewohners sollte auf seinem Becken liegen.
  • Wenn das Aufrichten nicht möglich oder kontraindiziert ist, ist die Aspirationsgefahr deutlich erhöht. Zum Trinken muss dann ein geeignetes Gefäß verwendet werden, etwa eine Schnabeltasse oder ein Becher mit abknickbarem Trinkhalm.
  • Wenn der Bewohner vor dem Essen Medikamente einnehmen muss, werden diese nun appliziert.
  • Medikamente werden dem Bewohner nicht unwissentlich "unter das Essen gerührt".
  • Die Pflegekraft überprüft die Temperatur der Speisen. Dieses ggf. mit einer eigenen (zusätzlichen) Gabel. Wenn die Speisen bereits erkaltet sind, wärmt die Pflegekraft diese in der Mikrowelle wieder auf.
  • Bei blinden oder stark sehbehinderten Bewohnern sagen wir vor jedem Bissen an, welche Speisenkomponente als nächstes angereicht wird. Also etwa ein paar Bohnen, eine halbe Kartoffel, ein Stück Fleisch usw.
  • Bei Bewohnern mit Halbseitenlähmung sollte die Pflegekraft die betroffene Hand führen. Das Essen wird über die betroffene Seite angereicht.

 

1

 

  • Wenn die Hand des Bewohners geführt werden muss, nutzt die Pflegekraft zwei Kontaktpunkte: Mit einer Hand unterstützt sie den Ellenbogen des Bewohners und mit der anderen Hand dessen Oberarm.
  • Die Pflegekraft überprüft den Schluckvorgang beim Bewohner. Insbesondere nach einem Schlaganfall leiden viele Betroffene unter Kau- und Schluckproblemen.
  • Der Bewohner bestimmt die Geschwindigkeit, mit der er isst. Die Pflegekraft wartet ab, bis er die vorherige Portion schlucken konnte. Erst dann führt sie den nächsten Löffel oder die nächste Gabel zum Mund des Bewohners.
  • Dem Bewohner wird vor und nach dem Essen sowie während des Essens ein Getränk angeboten. Bei heißen Getränken prüft die Pflegekraft die Temperatur, indem sie das Gefäß an die Innenseite Ihres Ellenbogens hält.
  • Danach gibt die Pflegekraft dem Bewohner die Flüssigkeit schluckweise ein. Sie wartet dabei jeweils ab, bis der Schluckvorgang abgeschlossen ist. Wenn der Bewohner zu hastig trinkt, sollte die Pflegekraft nach jedem Schluck das Glas absetzen. Wir nutzen ggf. eine zusätzliche Serviette, um verschüttete Flüssigkeit aufzunehmen.

 

2

 

  • Die Pflegekraft stützt das Trinkgefäß von unten mit der Handfläche. Der Bewohner soll das Glas seitlich umfassen und zum Mund führen. Ggf. kann sie mit der anderen Hand den Kopf des Bewohners noch etwas weiter aufrichten.
  • Speisereste, die im Mundwinkel des Bewohners hängen bleiben, werden mit der Serviette entfernt und nicht per Löffel abgenommen und wieder angeboten.
  • Die Pflegekraft sollte darauf achten, dass sie dem Bewohner die Speisen nicht zu tief in den Mund hinein schiebt. Dieses kann einen Würgereiz auslösen.
  • Ein Löffel sollte bei festen Speisen nur bis zur vorderen Hälfte gefüllt werden. Beim Herausziehen sollte der Löffel an der Oberlippe abgestreift werden, aber nicht mit den Schneidezähnen in Kontakt kommen. Dieses kann den Beißreflex auslösen, insbesondere bei dementen Bewohnern.
  • Die Pflegekraft achtet darauf, dass der Bewohner den Mund beim Kauen schließt.
  • Während des Schluckens sollte die Pflegekraft nicht mit dem Bewohner sprechen. Dieses könnte ihn dazu veranlassen, ebenfalls während des Essens zu reden und dabei ggf. Nahrungsbestandteile zu aspirieren. Wenn die Pflegekraft eine Frage an den Bewohner richtet, sollte dieser den Bissen geschluckt haben.
  • Wenn ein Bewohner den Mund nicht öffnen möchte, nutzen wir verschiedene Strategien:
    • Wir berühren die Lippen des Bewohners mit der Spitze des gefüllten Löffels oder der Gabel.
    • Die Pflegekraft streicht behutsam über Mundwinkel, Lippen und Wange des Bewohners.
    • Die Pflegekraft übt einen sanften Druck auf die Kinngrübchen aus.
    • In keinem Fall darf Gewalt ausgeübt werden. Dieses selbst dann, wenn der Bewohner überhaupt nichts isst.
  • Hinweis: Nahrungsverweigerung muss nicht zwangsläufig ein Anzeichen für Depressionen o. Ä. sein. Häufig sind Erkrankungen im Mundraum oder im Magen-Darmbereich der Auslöser.
  • Die Serviette, der Bettschutz usw. werden entfernt. Bei Verschmutzungen, etwa des Nachttisches, werden die Oberflächen ggf. gesäubert.
  • Die Pflegekraft bietet dem Bewohner eine Mundpflege an. Bei einer entsprechenden Gefährdung sollten die Wangentaschen auf Nahrungsreste überprüft werden.
  • Der Bewohner erhält die Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Auch die Pflegekraft wäscht sich die Hände.
  • Der Bewohner sollte noch für 30 Minuten in der leicht aufgerichteten Position verbleiben.
  • Sehr geschwächten Bewohnern sollte nach dem Essen Zeit zum Ausruhen und ggf. zum Schlafen gegeben werden.
  • Insbesondere bei Diabetikern muss sich die Pflegekraft vergewissern, dass auch wirklich die gesamte Portion verzehrt wurde. Bei einem nur teilweisen Genuss muss die Differenz bei der Dosierung des Insulins berücksichtigt werden.
  • Der Bewohner wird befragt, ob ihm die Mahlzeit geschmeckt hat und ob die Portionsgröße angemessen war. Etwaige Beschwerden werden aufgenommen und in Kooperation mit der Hauswirtschaft bearbeitet.
  • Ggf. wird das Bettgitter wieder hochgefahren.
  • Die Maßnahme wird dokumentiert, insbesondere
    • ungewöhnliche Reaktionen auf die Speise, etwa Heißhunger oder Ablehnung
    • Hustenanfälle
    • ggf. gleichzeitig eingegebene Medikamente

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